Familienaufstellung wirkt

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Wut in Familien: Wenn Kinder wüten

Wut. Was für eine Kraft. Eine zerstörerische Kraft. Eine Kraft, die, wenn sie sich zeigt, ignoriert wird, immer stärker wird und sich letztlich gegen sich selbst richtet. Wer die Wut ignoriert, wird irgendwann explodieren. Wer der Wut freien Lauf lässt, wird irgendwann die Kontrolle verlieren und großen Schaden anrichten. Wer die Wut in sich hineinfrisst, riskiert mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann an Geschwüren zu leiden oder krebskrank zu werden. Denn Wut ist eine Kraft, die zerstört.

Wut versteckt ein anderes Gefühl

Was viele nicht wissen: Wut zeigt sich zuerst. Wut verdeckt und versteckt ein anderes Gefühl. Und dieses Gefühl ist Trauer. Trauer über Verlust. Trauer über Verrat. Trauer über Verzicht. Trauer über Verlassen werden. Trauer über Ungerechtigkeit. Trauer über Schmerz, ausgelöst durch Gewalt. Trauer über Hilflosigkeit. Trauer über Einsamkeit. Trauer über was alles hätte sein können, aber nicht sein konnte, nicht sein durfte, nicht war.

Kinder übernehmen Wut der Eltern

Das System Familie ist schon sehr clever. Es funktioniert, darauf kann man sich verlassen. Und etwas, das mit Sicherheit immer funktioniert, ist, dass nichts verheimlicht oder vergessen werden kann und dass alles, was geschieht und geschah in einem unsichtbaren Familiengewissen gespeichert bleibt. Dazu gehört auch alles, was nicht gelebt werden konnte. Kinder sind im Familiensystem besonders verlässlich, denn sie leben bzw. müssen sogar alle nicht gelebten Emotionen der Eltern übernehmen. Das ist ein unsichtbares Gesetz, dem Familiensysteme folgen. Zu diesen Emotionen gehört auch Wut.

Mögliche Gründe für Wut bei Kindern

Es gibt eine Vielzahl, weshalb Kinder Gründe haben, wütend zu sein und gewiss ist jeder Fall einzigartig und auf seine Weise speziell. Dennoch hat das Familienstellen einige immer wieder kehrende Zusammenhänge und Dynamiken in Bezug auf Wut bei Kindern gezeigt. Hier möchte ich ein paar davon anführen.

Fünf häufige Gründe für Wut bei Kindern

1. Eine frühere Partnerschaft eines Elternteils

Ein wütendes Kind kann das widerfahrene Unrecht zum Beispiel einer früheren Partnerin des Vaters spiegeln. Wenn diese von ihm schwanger wurde und er sie dann sitzen gelassen hat, dann kann das Kind der neuen Beziehung die Wut der früheren Partnerin übernehmen und durch sein Verhalten aufzeigen. Wenn sich so eine Situation in einer Aufstellung zeigt, liegt die Lösung darin, dass der Vater die volle Verantwortung für sein Handeln übernimmt und sich dem stellt, dass er die frühere Freundin verantwortungslos und vielleicht sogar feig sitzen gelassen hat. Dann kann das Kind frei und muss nicht mehr wütend sein.

 

2. Der Partnerersatz

Wenn ein Kind nicht Kind sein darf, weil es der Mutter den Vater ersetzen muss, wird es verständlicherweise wütend. Wenn beispielsweise Väter sich einfach davonschleichen, dann muss das Kind (oft ein Sohn) sehr schnell groß und erwachsen werden und den Platz des Vaters einnehmen, indem es zum Beispiel viele Arbeiten eines Mannes übernehmen muss. Sehr oft versucht es (oder muss es auch) der Mutter den Partner ersetzen. Das überfordert ein Kind komplett. Diese Überforderung drückt sich in Wut aus. Die Lösung liegt darin, dass die Mutter sich ihrem Schmerz stellt und das Kind wieder an seinen Platz des Kindes gehen darf.

 

3. Wenn ein Kind den Vater nicht mehr lieben darf

Ein sehr häufiges Beispiel nach Trennungen: die Mutter zieht das Kind auf ihre Seite und macht den Vater schlecht. Es darf den Vater nicht mehr lieben, es darf nur noch von der Mutter nehmen. Die Mutter projiziert die Wut, die sie eigentlich auf den Vater des Kindes hat, auf das Kind (denn im Kind sieht eine Mutter auch dessen Vater). Das Kind beginnt zu rebellieren, einerseits weil es nichts dafür kann, dass die Mutter auf den Vater wütend ist (denn was zwischen den Erwachsenen ist, geht ein Kind nichts an und muss zwischen Erwachsenen geklärt werden und dort bleiben) und andererseits ist es wütend darüber, dass die Mutter dem Kind den Vater “stiehlt” (denn dazu hat sie kein Recht).

 

4. Abgetriebene Geschwisterkinder

Wenn Frauen (heimlich) Kinder abgetrieben haben und später ein Kind zur Welt bringen, drücken diese Kinder oft über die Wut das Verschweigen der Abtreibungen aus. Denn jeder gehört dazu. Auch abgetriebene Kinder oder Fehlgeburten. Das ist ein Grundsatz in Familienaufstellungen, der bei Nichtbeachtung enorme Konsequenzen im System nach sich zieht. Wenn man diese Kinder dann in die Aufstellung mit hineinnimmt, hört die Wut bei den lebenden Kindern schlagartig auf.

 

5. Fehlende Grenzen

Kinder sehnen sich nach starken Eltern. Kinder wollen, dass man ihnen Grenzen setzt, denn Grenzen geben Sicherheit. Wer sich dauernd an den Wünschen der Kinder orientiert und sein ganzes Leben nach ihren Bedürfnissen ausrichtet und sie sogar wichtige Familienfragen entscheiden lässt, der macht Kinder unsicher. Und diese Unsicherheit drückt sich in Wut aus. Diese Kinder schreien in ihrer Wut förmlich nach starken Eltern. Die Lösung lautet hier, dass die Eltern die Verantwortung für ihre Elternrolle übernehmen müssen, sie müssen groß werden und die Kinder müssen klein sein dürfen. Auch müssen sie lernen, ihr Verhalten zu verändern, denn es nützt nichts, wenn sie die systemische Ordnung herstellen, im Verhalten aber gleichbleiben wie bisher. Dann kann sich die systemische Wirkung nicht entfalten.